Alles auf Anfang

Das Vertraute ist ein warmes Nest. Doch nur, wer es verlässt, kann das Neue, Überraschende erleben. Dr. Aloys Wilmsen hat sein Leben nie als feste Form empfunden: „Ich war innerlich immer frei“. Geboren als achter Sohn einer niederrheinischen Bauernfamilie, sollte er katholischer Priester werden und begann ein Theologie-Studium in Münster. Doch während eines Freisemesters in München lernte er durch seine Schwester, die angehende Bildhauerin Anna Kubach-Wilmsen, die Kunststudentin Helga kennen, eine sanft-energische Berlinerin. Das Zölibat war kein Thema mehr. Wilmsen heiratete und wechselte das Fach. Er promovierte in Medizin und war bereits Assistenzarzt, als ihn ein befreundeter Unternehmer aus Wangen im Allgäu einlud, seine neue Pumpenfabrik anzusehen. Die Geschäfte liefen nicht besonders – das reizte Aloys Wilmsen ungemein. Er kümmerte sich fortan um den Betrieb, der hauptsächlich Gülle-Pumpen in der Landwirtschaft herstellte, aber auch die legendäre Honigpumpe, mit der Joseph Beuys 1977 bei der Documenta für Aufsehen sorgte. Ein seltsamer Mann mit Hut war damals am Stand der Pumpenfabrik auf der Industriemesse in Hannover erschienen und fand in Aloys Wilmsen den richtigen Mann für die Konstruktion der bizarren Maschine, deren Schlauchsystem sich in der Kasseler Weltschau über mehrere Räume erstreckte.
Die wirtschaftliche Sicherheit gab Helga und Aloys Wilmsen genug Spielraum, sich mit Kunst und Künstlern zu beschäftigen. 2010 erfüllte sich das Ehepaar einen alten Traum und eröffnete in dem Wallfahrtsort Maria-Thann nahe dem Bodensee eine Wohnungsgalerie. Dort zeigten sie nicht etwa Gefälliges aus der Region, sondern überraschten das Publikum mit Werken von Meistern der Moderne, die jedem Museum zur Ehre gereichen würden. Die Galerie Wilmsen organisiert viel beachtete Ausstellungen, beteiligt sich an renommierten Kunstmessen und residiert seit März 2015 in einem denkmalgeschützten Haus an strategisch günstiger Stelle im Schweizer Bodensee-Städtchen Rheineck. Das Konzept ist gleich geblieben: Die Kunst wird beispielhaft in den eigenen Wohnräumen gezeigt – in entspannter, privater Atmosphäre. Nach telefonischer Anmeldung ist jeder als Besucher willkommen.
(bikö)